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Rechtssicherheit in einem unsicheren Europa: Das Fundament europäischer Zusammenarbeit

In der taumelnden Weltordnung muss Europa seine Rolle neu definieren. Unter anderem der Ukraine-Krieg hat alte Gewissheiten erschüttert und zeigt: Rechtssicherheit ist mehr denn je das Fundament, das Vertrauen schafft, Investitionen ermöglicht und den Kontinent zusammenhält.

Europa, seit jeher als Wiege der westlichen Zivilisation verehrt, steht im 21. Jahrhundert vor der dringlichen Aufgabe, seine Rolle unter den globalen Mächten neu zu definieren. Zwar hat die Europäische Union den Frieden innerhalb ihrer Grenzen gesichert, doch der anhaltende Krieg an der östlichen Peripherie des Kontinents hat die Illusion dauerhafter Stabilität erschüttert. Inmitten dieses ungewissen Umfelds erweist sich die Rechtssicherheit als tragende Säule europäischer Kooperation – sie schafft Vertrauen, zieht Investitionen an und hält einen fragmentierten, zugleich aber eng verflochtenen Kontinent zusammen.

Das Ende der staatenzentrierten Ordnung: Private Akteure im globalen Rechtsraum?

In einer Zeit, in der das Völkerrecht und die zwischenstaatlichen Beziehungen zunehmend ins Wanken geraten – in der wir täglich mit neuen regionalen Konflikten und erschütternden Opferzahlen konfrontiert sind, während die zuständigen Mechanismen zur Wahrung von Frieden und Sicherheit versagen –, bewahrt das Internationale Privatrecht eine erstaunliche Stabilität. Die rechtlichen Beziehungen zwischen Individuen – insbesondere im Wirtschaftsleben – sind heute sicherer als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Europa bietet im internationalen Vergleich ein bislang unerreichtes Mass an Rechtssicherheit für ausländische Investoren, getragen von einer gewachsenen Rechtskultur und einem entschiedenen Bekenntnis zum Rechtsstaat.

Rechtsstaatlichkeit: Voraussetzung für globalen Handel und wirtschaftlichen Fortschritt

Die Realität vor Ort klafft jedoch häufig weit auseinander mit den Prinzipien, wie sie in Gründungsakten und Verfassungen niedergelegt sind. Trotz jahrzehntelanger rechtlicher Harmonisierung bleibt die Durchsetzung von Normen in vielen Rechtsordnungen inkonsistent – untergraben durch Rechtsunsicherheit, Verwaltungsineffizienz und politische Einflussnahme. Auch wenn Europa vermutlich nie ein einheitliches Rechtssystem wie das der EU verwirklichen wird, kann es sein Fundament stärken, indem es dort für Verlässlichkeit sorgt, wo sie am dringendsten gebraucht wird: bei der Vollstreckung von Entscheidungen, bei rechtlicher Vorhersehbarkeit und beim Zugang zur Justiz.

Schiedsverfahren als Plattform der Streitbeilegung

Zwar bleiben nationale Gerichte der klassische Ort zur Beilegung innerstaatlicher Streitigkeiten, doch hat sich im vergangenen Jahrhundert das Schiedsverfahren als bewährte (wenn auch nicht perfekte) Methode zur Lösung grenzüberschreitender und internationaler Konflikte etabliert. Trotz seiner globalen Reichweite bleibt das Schiedsverfahren jedoch zersplittert – abhängig von einzelnen Rechtsordnungen und institutionellen Regelwerken. Häufig gelingt es nicht, Unternehmen die notwendige Gewissheit zu geben, dass Streitigkeiten zügig, kosteneffizient und mit vorhersehbarem Ergebnis entschieden werden. Uneinheitliche Verfahrensstandards, mangelnde Transparenz und schwankende Vollstreckungspraxis beeinträchtigen weiterhin seine Glaubwürdigkeit.

Es braucht einen einheitlichen Rechtsrahmen

Im Zeitalter eines eng vernetzten »globalen Dorfs« muss Europa seine Rolle nicht nur als historisches Zentrum juristischen Denkens, sondern auch als aktiver Gestalter einer neuen, wirtschaftsfreundlichen Rechtsordnung zurückerobern. Die Zeit ist reif für eine neue Generation internationaler Juristinnen und Juristen, die den Aufbau einer einheitlichen und weltweit akzeptierten Plattform zur Beilegung internationaler Wirtschaftsstreitigkeiten vorantreibt – eines stabilen Gremiums, getragen von transparenten, kohärenten und gerechten Regeln.

Diese Plattform sollte allen Nationen und wirtschaftlichen Akteuren offenstehen – als Brücke, wo bestehende Systeme versagen, und als Grundstein einer Rechtsarchitektur, die den wirtschaftlichen Realitäten des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Denn eines gilt es festzuhalten: Rechtssicherheit ist kein statischer Zustand. Sie ist ein lebendiges Prinzip, das stetig verteidigt und weiterentwickelt werden muss.

About the Autor

Josip Perkušić

Josip Perkušić ist Rechtsanwalt und Gründer der Anwaltskanzlei in Zagreb, Kroatien. Er verbindet einen soliden Hintergrund in internationalem Recht und Diplomatie mit umfangreicher praktischer juristischer Erfahrung. Er absolvierte die Diplomatische Akademie des Ministeriums für auswärtige und europäische Angelegenheiten der Republik Kroatien und schloss mehrere Programme an der Diplomatischen Akademie Wien erfolgreich ab. Von 2020 bis 2022 war er Kroatiens erster Jugenddelegierter bei den Vereinten Nationen und vertrat das Land in der UN-Generalversammlung. Josip arbeitete zwei Jahre lang am Handelsgericht, wo er wertvolle Erfahrungen in der Rechtspraxis und der Beilegung von Handelsstreitigkeiten sammelte. Seine juristische Arbeit konzentriert sich auf internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Geschäftstransaktionen und die Vertretung von Privatpersonen und Unternehmen, wobei er sich stark für Rechtsstaatlichkeit, Rechtssicherheit und Professionalität einsetzt.

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Legal Certainty in an Uncertain Europe: The Cornerstone of European Cooperation

In a faltering world order, Europe must redefine its role. Among other things, the war in Ukraine has shaken long-held certainties and made one thing clear: legal certainty is more than ever the foundation that builds trust, attracts investment, and holds the continent together.

Europe, long regarded as the cradle of western civilization, now faces the urgent task of redefining its position among global powers in the 21st century. While the European Union has secured peace within its borders, the ongoing war on the eastern edge of the continent has shattered assumptions of permanent stability. In this uncertain landscape, legal certainty stands as the cornerstone of European cooperation – enabling trust, attracting investment, and holding together a fragmented yet interdependent continent.

The End of the State-Centered Order: Private Actors in the Global Legal Arena?

In a time marked by the collapse of International Public Law and relations between states – where we face daily new regional conflicts with devastating casualties and no reaction from the mechanisms and organs responsible for maintaining international peace and security – International Private Law remains remarkably resilient, and relations between individuals – especially in business – are more secure than at any point in human history. Today, for instance, Europe – compared to other continents and political-economic systems – offers an unprecedented level of legal security for foreign investors, grounded in a mature legal tradition and a strong commitment to the rule of law.

Rule of Law: The Precondition for Global Trade and Economic Progress

The reality on the ground often diverges sharply from the principles set out in founding acts and constitutions. Despite decades of legal harmonization, enforcement across jurisdictions remains, in some cases, inconsistent – with legal uncertainty, administrative inefficiencies, and political interference undermining the coherence of the European legal order. While Europe cannot – and likely will not – achieve a single, unified legal system (e.g., the EU), it can strengthen its legal foundation by reinforcing certainty where it matters most: enforcement, predictability, and access to justice.

Arbitration as Platform for Dispute Resolution

While national courts remain the default venue for resolving domestic disputes, arbitration emerged in the last century as a long-standing and relatively successful for resolving cross-border and international conflicts. However, despite its global reach, arbitration remains fragmented across jurisdictions and institutional rules, and often falls short of providing businesses with the certainty that justice will be delivered in a timely, cost-effective, and predictable manner. Challenges such as inconsistent procedural standards, lack of transparency, and variable enforcement practices continue to affect its credibility.

A Call for a Unified European Legal Approach

In today’s interconnected “global village,” the Old Continent must reclaim its role not only as the historical birthplace of legal thought but also as a proactive architect of a new, pro-business legal order. The time has come for a new generation of international lawyers, jurists, and legal professionals to initiate the creation of a unified and universally accepted platform for resolving international business disputes – a single, stable body governed by transparent, consistent, and fair rules.

This platform should be accessible to all nations and economic actors, serving as a bridge where existing systems fall short and as the foundation for a legal architecture that reflects the economic realities of the 21st century – with one guiding thought: legal certainty is not a static achievement; it is a living principle that must be continually defended and advanced.

About the Autor

Josip Perkušić

Josip Perkušić is a lawyer and the founder of the Law Office in Zagreb, Croatia. He combines a strong background in international law and diplomacy with extensive practical legal experience. He completed the Diplomatic Academy of the Ministry of Foreign and European Affairs of the Republic of Croatia and successfully concluded several programmes at the Diplomatic Academy of Vienna. From 2020 to 2022, he served as Croatia’s first Youth Delegate to the United Nations, representing the country at the UN General Assembly. Josip worked for two years at the Commercial Court, where he gained valuable experience in judicial practice and commercial dispute resolution. His legal work focuses on international arbitration, business transactions, and the representation of individuals and companies, with a strong commitment to the rule of law, legal certainty, and professionalism.

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